Autor: Alena Schröder
Verlag: dtv Verlasgesellschaft
Seiten: 508
Erscheinungsdatum: 20. Januar 2021
weitere Bücher des Autors:
Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
Klappentext
Vom Erbe unserer Mütter und dem Wagnis eines freien Lebens
In Berlin tobt das Leben, nur die 27-jährige Hannah spürt, dass ihres noch nicht angefangen hat. Ihre Großmutter Evelyn hingegen kann nach beinahe hundert Jahren das Ende kaum erwarten. Ein Brief aus Israel verändert alles. Darin wird Evelyn als Erbin eines geraubten und verschollenen Kunstvermögens ausgewiesen. Die alte Frau aber hüllt sich in Schweigen. Warum weiß Hannah nichts von der jüdischen Familie? Und weshalb weigert sich ihre einzige lebende Verwandte, über die Vergangenheit und besonders über ihre Mutter Senta zu sprechen?
Die Spur der Bilder führt zurück in die 20er Jahre, zu einem eigensinnigen Mädchen. Gefangen in einer Ehe mit einem hochdekorierten Fliegerhelden, lässt Senta alles zurück, um frei zu sein. Doch es brechen dunkle Zeiten an.
Meine Meinung
Eine der sehr genialen Vorzüge meiner Arbeit ist es ja, Bücher bereits vorab lesen zu können. So war es auch mit "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid", dem Roman, der heute erschienen ist. Schon im September letzten Jahres habe ich ihn gelesen und habe mich sehr gefreut, denn dieses Buch ist wirklich großartig.
Den Inhalt kann man nicht ganz so einfach zusammenfassen, wie ich finde (und auch Cover und Titel sagen nicht allzu viel über den Inhalt aus, so schön sie auch sind), aber ich versuche es einfach einmal. Es geht um Hannah, eine junge Frau, die noch nicht so ganz ihren Platz im Leben gefunden hat und ganz allgemein mit dem ein oder anderen zu kämpfen hat. Eines Tages entdeckt sie bei ihrer Großmutter Evelyn, der einzigen lebenden Verwandten, einen Brief, in dem sie über ein verschollenes Kunstvermögen informiert wird. Offenbar wurden Evelyns Vorfahren zur Zeit des Nationalsozialismus Gemälde geraubt. Hannah, die von alldem nichts ahnte, beginnt die Recherche. Und während sie sich in die Vergangenheit begibt, nimmt uns auch Alena Schröder in diese mit, nämlich zu Senta, Evelyns Mutter. Sie musste in den 20er-Jahren eine schwerwiegende Entscheidung treffen.
Auf den ersten Blick hätte ich nicht erwartet, dass mir der Roman so gut gefallen würde, doch das hat er. Die Geschichte ist so voller spannender Schicksale, eigensinniger und starker Frauen und bedient sich nicht der üblichen Klischees. Der Handlungsstrang der Gegenwart war mir ein wenig näher und hat mich etwas mehr gepackt, doch auch die Vergangenheit, die sich bis in die 40er-Jahre zieht, war so interessant, dass ich das Buch einfach sehr gerne gelesen habe. Nicht alles hat mich zu hundert Prozent abholen können, aber der gesamte Leseeindruck war einfach super.
Mit was der Roman wirklich glänzt, ist der Schreibstil. Man merkt, dass Alena Schröder das Schreiben gewohnt ist, wenn auch noch nicht von fiktionalen Stoffen. Doch allein, wie sie die verschiedenen Perspektiven voneinander abgrenzt, war beeindruckend. So oft sitze ich da und ärgere mich, dass die Gedanken all der Protagonisten im Buch wie ein Brei wirken und hier war das ganz einfach nicht der Fall. Stattdessen hat Senta eine Stimme, hat Trude eine Stimme, hat Evelyn eine und hat Hannah eine. Und wieder war es Hannahs Sicht, die für mich herausgestochen ist. Der Stil, den die Autorin bei ihr an den Tag legt, ist locker, mit einer scharfen Ironie und wirkt nie aufgesetzt.
Und wie die Perspektiven sich voneinander unterscheiden, so tun das auch die Protagonistinnen des Romans. Hier war es Senta, die mir am besten gefiel. Sie ist eine so starke Person, die weiß, was sie will und einiges dafür in Kauf nimmt. Dass sie durchaus Fehler macht, machte sie mir nur sympathischer. Hannah hingegen startet etwas unsicherer, doch dafür ist ihre Entwicklung umso schöner mit anzusehen und machte sie noch facettenreicher. Überhaupt sind die Figuren in "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" richtig dreidimensional und ich konnte mir jeden sehr gut vorstellen. Evelyn, die man zunächst als respektable alte Dame kennenlernt und ihre Schichten erst nach und nach in Sentas Sicht aufdeckt, Julius, Andreas Sonthausen, Jörg Sudmann. Sie alle sind vielseitig und tragen auf ihre Weise zur Geschichte und den Entwicklungen der Charaktere bei.
Mein Fazit
Dieser Roman ist für mich mal wieder ein Beweis, dass es sich oft lohnt, auch mal außerhalb der Lieblingsgenres zu lesen. Diese Geschichte rund um Mütter und ihre Töchter, Frauen und wie sie sich entwickeln und geraubte Gemälde war unheimlich interessant. Von mir gibt es jedenfalls 4,5 von 5 Sternen.
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