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alias Grace

Autor: Margaret Atwood
Verlag: Piper Taschenbuch
Seiten: 620
Erscheinungsdatum: 2. Oktober 2017
weitere Bücher des Autors: 
Lady Orakel, Der Salzgarten, Der Report der Magd, Katzenauge, Tipps für die Wildnis, Gute Knochen, alias Grace, Der blinde Mörder, Oryx und Crake, Moralische Unordnung, Das Zelt, Payback, Das Jahr der Flut, Die Geschichte von Zeb

Klappentext


Toronto, 1843: Das junge Dienstmädchen Grace wird mit sechzehn des Doppelmordes an ihren Arbeitgebern schuldig gesprochen. In letzter Sekunde wandelt das Gericht ihr Todesurteil in eine lebenslange Gefängnisstrafe um. Sie verbringt Jahre hinter Gittern, bis man sie schließlich entlässt. Im Haushalt des Anstaltdirektors begegnet sie dem Nervenarzt Simon, der ihrer Geschichte auf den Grund gehen will: Ist Grace eine gemeingefährliche Verbrecherin oder unschuldig?

Meine Meinung


Zur Buchgestaltung
Gut, ein Meisterstück der Gestaltung ist "alias Grace" nicht unbedingt, aber irgendwie hat das Cover ja doch etwas. Die Haltung der Frau? Kann schon sein. Ich finde ja interessant, dass es sich dabei um den Ausschnitt eines Gemäldes von John William Waterhouse handelt, eines britischen Malers (wie ich mir gerade über Google angelesen habe). Das hatte ich auch noch nicht.

Zum Buch
Als ich mir überlegte, welche Bücher ich mit in meinen Urlaub dieses Jahr nehme, wusste ich erst wirklich nicht, was es werden sollte. Mein SuB bot mir zwar eine Bandbreite an Genres, aber irgendwie hatte ich auf nichts so wirklich Lust. Beziehungsweise konnte ich mich auch mal wieder nicht entscheiden. Als ich dann "alias Grace herauszog und betrachtete – ein Buch, das ich eigentlich nur gekauft hatte, weil es von Margaret Atwood war und dessen Inhalt ich mir nicht so genau angesehen hatte – war ich direkt neugierig. Die Geschichte fixte mich direkt an und so wanderte dieses eher düstere Buch als eines von drei Büchern in meinen Koffer und mit in den sonnigen Sommerurlaub.
Und war auch das einzige Buch, in dem ich im Urlaub gelesen habe. Was nicht an fehlenden Lesestunden liegt, denn davon hatte ich eigentlich genug (Faul-in-der-Sonne-liegen sei dank). Nein, ich habe gemerkt, dass "alias Grace" wohl eines dieser Bücher ist, die sich einfach langsamer lesen lassen. Nicht mal, weil es nicht gut wäre, sondern weil es einfach...hm, "schwerer" zu lesen ist? Kann ich das so nennen? Mich hat es an die Jane-Austen-Bücher erinnert, da brauche ich auch einfach immer etwas länger als normalerweise...
"alias Grace" ist aber auch keine so einfache Geschichte. Sie handelt von Grace Marks, einer Frau, die mit 16 Jahren eines Mordes beziehungsweise der Mithilfe am Mord angeklagt wurde und seitdem im Gefängnis sitzt. Es geht um die Frage ihrer Schuld beziehungsweise Unschuld, unter welchen Umständen es zu den Morden gekommen ist. Und so hat man bald zwei wichtige Storylines: Einmal die in der Gegenwart, in der ebenjene Frage untersucht wird. Und dann die Vergangenheit, angefangen mit Graces Reise nach Amerika, über ihre Arbeiten als Dienstmädchen in verschiedenen Häusern bis hin zum Angestelltenverhältnis im hause von Mr. Kinnear, wo sie unter Nancy Montgomery arbeitete und an deren beiden Morde sie und James McDermott schuldig gewesen sein sollen. Die Vergangenheit gliedert sich dabei als Erzählung in der Gegenwart ein, denn Grace wird vom Arzt Dr. Simon Jordan untersucht, der festzustellen versucht, was damals eigentlich passiert ist. Er interessiert sich vor allem deswegen für den Fall, da Grace offenbar keine Erinnerung an die wichtigsten Stunden betreffend des Geschehens mehr hat, die er wieder hervorholen möchte.
Besonders spannend fand ich ja, dass "alias Grace" auf einem wahren Fall basiert, denn Grace Marks und die Kinnear-Morde gab es tatsächlich. Damals wurde der Fall nicht wirklich aufgeklärt beziehungsweise ist noch immer nicht klar, ob Grace schuldig war oder nicht, und Margaret Atwood schreibt im Nachwort, dass sie sich so gut es ging auf die damaligen Geschehnisse gestützt hat. So finden sich an den Anfängen der Teile im Buch auch immer Schnipsel aus Zeitungen oder ähnlichem aus der damaligen Zeit, was dem Ganzen nochmal einen interessanten Twist gibt.
Die Geschichte, die die Autorin dann erzählt, wäre aber auch so schon unglaublich spannend, denn man fragt sich natürlich die ganze Zeit über, was denn nun passiert ist damals und wie Grace in all dies passte. Außerdem macht man unweigerlich eine Reise in die menschlichen Abgründe, was ich auch immer wieder unfassbar spannend finde. Dabei ist die Geschichte nicht mal so vorhersehbar, auch wenn ich die ein oder andere Entwicklung mir schon hatte so vorstellen können. Aber wie dann alles abgelaufen ist letztendlich, hat mich doch überrascht. Einziges Manko ist vielleicht, dass Grace in ihren Erzählungen doch recht ausschweifend wird. Mit ein Grund, weshalb ich etwas länger für's Lesen gebraucht habe? Kann schon sein.
Aber dieses länger-brauchen lag garantiert auch am Schreibstil. Margaret Atwood schreibt sehr beschreibend, teilweise etwas ausschweifend. Nicht mal unbedingt so, dass mir arg langweilig wurde, aber doch etwas langgezogener, als mir lieb ist. Die Spannung, die sie in ihrer Geschichte aufbaut ist unterschwellig, liegt zwischen den Zeilen. Eine Kunst für sich, keine Frage, das mochte ich. genauso wie die Aufteilung in zwei Sichtweisen. Denn manchmal erfährt man die Geschichte quasi aus erster Hand, aus der Ich-Perspektive von Grace, die man mal in der Gegenwart erlebt und die dann wieder von ihrer Vergangenheit erzählt. Wobei man sich hier nie sicher sein kann, was man ihr glauben darf und was nicht. Und zweitens gibt es noch Dr. Jordans Sicht, aus der dritten Perspektive, quasi die Außensicht auf den Fall, die hoffentlich Aufklärung bringt. Diese Gegenüberstellung war schon ziemlich cool.
Besonders interessant für diesen Roman sind natürlich die Charaktere. Wie schon gesagt erfährt man viel über die menschlichen Abgründe, auch oder vor allem die der Hauptcharaktere, und so wird es dem Leser nicht gerade einfach gemacht, diese sympathisch zu finden. Grace ist da noch okay. Sie ist bereist in jungen Jahren pragmatisch veranlagt und legt den Fokus auf gewisse Details. Zentral für sie sind Näharbeiten, die als Motiv immer wieder auftauchen, egal, ob sie sich gerade überlegt, wie ihr eigener Quilt irgendwann einmal aussehen würde, oder auch, welche Verbesserungen an dem einen oder anderen Kleid gemacht werden könnten. Diese Details sind dann doch etwas speziell und manchmal war es mir auch ein wenig zu viel. Auch wirkt sie des Öfteren etwas verstockt und prüde. Alles in allem fand ich sie also zwar nicht unbedingt unsympathisch, aber doch eher anders, sodass ich kaum Identifikationspotenzial in ihr erkannte.
Wirklich schwierig fand ich allerdings Dr. Simon Jordan. Erst dachte ich, er wäre quasi der Held der Geschichte, der Ritter auf dem Weißen Ross sozusagen, der Grace von ihrer Schuld lossagt. Ha! Diejenigen, die die Geschichte kennen, werden jetzt wahrscheinlich laut lachen. Dr. Jordan konnte zwar in mancherlei Situation ganz nett wirken, aber dann kam im nächsten Moment ein so unsympathischer Gedanke von seiner Seite, dass ich ihn wieder nicht ausstehen konnte. Dabei versteht Margaret Atwood sich wirklich darauf, so zu schreiben, dass es sehr realistisch wirkt. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass es durchaus Menschen gibt, die genau so denken, so schlimm ich den Gedanken auch finde.
Und so gab es eigentlich keinen Charakter, den ich wirklich symapthisch fand, mit dem ich mich identifizieren wollte. Sie wirkten alle wie mit zu vielen Makeln behaftet. Wobei genau das ja auch den Reiz des Buches ausmacht, denn wie ebenjene unsympathischen Figuren dachten, war höchst interessant mitzuverfolgen. Und wahrscheinlich auch näher an der Realität dran als die Charaktere in anderen Geschichten.

Mein Fazit


Ihr seht schon, ich kann mich mal wieder nicht entscheiden, wie ich dieses Buch eigentlich bewerten soll. Denn es war natürlich spannend. Schon allein der "Basiert auf einer wahren Begebenheit"-Faktor ist einfach nur fesselnd und dann kommen noch die Elemente eines Psychothrillers dazu, die unterschwellige Spannung und die Schuldfrage. Andererseits waren die Charaktere an so mancher Stelle schon arg unsympathisch und die Handlung etwas schwerfälliger, sodass ich nicht so schnell vorankam, wie ich es gewöhnt bin. Insgesamt habe ich etwa drei Wochen zum Lesen gebraucht, eine für mich lange Zeit, auch wenn ich gleichzeitig noch ein weiteres Buch gelesen habe. Und so vergebe ich etwas hin und her gerissene 4 von 5 Sternen.

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