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Das wirkliche Leben

Autor: Adeline Dieudonné
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Seiten: 239
Erscheinungsdatum: 24. April 2020
weitere Bücher des Autors: 
Das wirkliche Leben





Klappentext



Eine Reihenhaussiedlung am Waldrand, wie es viele gibt. Im hellsten der Häuser wohnt ein zehnjähriges Mädchen mit seiner Familie. Alles normal. Wären da nicht die Leidenschaften des Vaters, der neben TV und Whisky vor allem den Rausch der Jagd liebt.
In diesem Sommer erhellt nur das Lachen ihres kleinen Bruders Gilles das Leben des Mädchens. Bis eines Abends vor ihren Augen eine Tragödie passiert. Nichts ist mehr wie zuvor. Mit der Energie und der Intelligenz einer mutigen Kämpferin setzt das Mädchen alles daran, sich und ihren Bruder vor dem väterlichen Einfluss zu retten. Von Sommer zu Sommer spürt sie immer deutlicher, dass sie selbst die Zukunft in sich trägt, wird immer selbstbewusster – ihr Körper aber auch immer weiblicher, sodass sie zusehends ins Visier ihres Vaters gerät.

Meine Meinung


Zur Buchgestaltung
Können wir über dieses tolle Cover reden? Ich bin ja absoluter Fan davon, wie einfach es eigentlich ist, aber gleichzeitig stark. Der hellgraue Hintergrund, der pinke Rahmen, die krakelige Schrift. Und der Hase. Dieser Hase hat mich einfach, ich mag ihn total.

Zum Buch
Genauso bin ich auch total überzeugt von dem Buch. Adeline Dieudonné hat mit ihrem Debüt bei mir komplett ins Schwarze getroffen. Sie schreibt von einer Familie in einer französischen Reihenhaussiedlung. Ein Vater mit Leidenschaft für die Jagd und dem Hang zur Gewalttätigkeit. Eine Mutter, die sich so stark unterordnet, dass sie komplett farblos wirkt. Ein Junge, einstmals fröhlich und unbesorgt, der sich nach einem schrecklichen Vorfall komplett ändert. Und ein Mädchen, das alles tun würde, um das Lachen ihres Bruders zurückzuholen und sich von ihrem Vater loszusagen.
Die Geschichte geht über mehrere Jahre, verfolgt, wie ihre Protagonistin (die nie namentlich genannt wird) immer älter wird, bis zur Grenze des Erwachsenseins. Auf den ersten Blick wirkt sie vielleicht alltäglich – häusliche Gewalt ist etwas, das leider zu oft vorkommt. Aber genau das hat mich so zerrüttet. Die Ereignisse im Buch sind brutal und aufwühlend. Wer eher zart besaitet ist, sollte wohl eher die Finger von "Das wirkliche Leben" lassen. An so mancher Stelle musste auch ich kurz aufhören und durchatmen, bevor ich weiterlesen konnte, so sehr hat mich die Gewalt im Buch mitgenommen. Die häusliche Situation spitzt sich immer weiter zu. Aber gleichzeitig entfaltet sich hier auch eine solche Sogwirkung, dass ich nicht aufhören wollte. Ich hätte immer weiter und weiter lesen können, bis zur letzten Seite, und wäre die Arbeit nicht gewesen, hätte ich das Buch vielleicht in einem Rutsch gelesen.
Ein Grund dafür ist auch Adeline Dieudonnés Schreibstil. Er ist eigentümlich mit ihren kurzen, fast schon abgehackt wirkenden Sätzen. Nicht unbedingt einfach. Und doch trifft sie damit ins Schwarze. Auf mich wirkte ihr Geschriebenes auf den Punkt und ehrlich und hat mich so am Lesen gehalten. Vor allem auch ihre Metaphern haben mich fasziniert. In welchem anderen Buch wird die eigene Mutter schon mit einer Amöbe verglichen? Ich jedenfalls habe das noch nirgendwo sonst gelesen und auch wenn der Vergleich hart ist, war er doch irgendwie genial. Überhaupt spielen Tiere hier eine große Rolle, was wohl an den Vater im Roman liegt, der für die Jagd lebt und Tier-Trophäen im Keller sammelt. Hyänen, Amöben, Ziegen, Hunde – ihnen kommen wichtige Rollen zu.
Besonders in "Das wirkliche Leben" sind auch die Charaktere. Anfangs scheint es, als wären die Figuren Schwarz und Weiß: Der Vater ist ein Jäger, böse in so ziemlich allem, was er tut. Die Mutter eine Amöbe, sich dem Vater unterordnend, ihre Ziegen sind ihr mehr wert als die eigenen Kinder. Der kleine Bruder ist unschuldig, nur durch den schrecklichen Vorfall korrumpiert und dafür gedacht, gerettet zu werden. Doch je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr wandelt sich alles in Graustufen. Der Vater hat eben doch noch andere Seiten als die gewalttätige, auch wenn sie sich die meiste Zeit über versteckt hält. Die Mutter ist nicht so einfältig, wie sie zunächst scheint. Der Bruder verfällt in schreckliche Handlungsmuster, wegen derer man sich unweigerlich fragt, ob er es denn wirklich wert ist, gerettet zu werden. Und die Protagonistin? Auch sie ist nicht perfekt. Man bewundert sie, ja. Sie ist eine starke Heldin für diesen Roman, eine die viel für sich selbst aufbaut. Sie ist klug und entspricht nicht den Klischees des Mädchenbildes. Schon allein, dass Marie Curie ihr großes Vorbild ist und sie fasziniert von Quantenphysik ist, macht sie eher ungewöhnlich – und umso interessanter. Doch sie handelt nicht immer so, dass man sie moralisch unbefleckt nennen könnte. Doch genau diese Grautöne haben das Buch für mich nochmal besonderer, noch stärker gemacht.

Mein Fazit


Es ist schon eine Weile her, dass ich "Das wirkliche Leben" gelesen habe (ich hatte es auch innerhalb weniger Tage durch, weil ich kaum aufhören konnte und wollte), aber ich weiß noch genau, wie mich das Buch eingenommen hat. Adeline Dieudonné hat ein unfassbar starkes Debüt geschrieben, das mir unter die Haut gegangen ist mit seiner krassen Handlung. Die Authentizität, mit der sie in dieser Coming-of-Age-Geschichte schreibt, raubt einem den Atem. Lest das Buch! Ich kann nur 5 von 5 Sternen vergeben.

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